Monitoring in den Zugwiesen: Libellen und Tagfalter

Veröffentlicht am 28. Juli 2015 Unter Textlabor 0 Comments

Bestandsaufnahme der Natur am Ludwigsburger Neckar

Teil 3 Libellen und Tagfalter

Mehr als 30 Libellenarten hat der Landschaftsökologe Michael Koch in diesem Jahr im Neckarbiotop Zugwiesen bereits angetroffen. 2007 waren es nur sechs. Dazu haben in der neugeschaffenen, naturnahen Landschaft 16 Schmetterlingsarten Unterschlupf und Nahrung am Ludwigsburger Neckar gefunden. Bei einem Gang durch die Zugwiesen erläutert der Ökologe dem Zugwiesen-Guide Uli Ostarhild, warum dies so ist.

Herr Koch, wie sieht der ideale Lebensraum von Libellen und von Schmetterlingen aus?

Koch: Da muss man unterscheiden. Die Libellen sind grundsätzlich an Wasser gebunden. Schmetterlinge, oder Tagfalter wie wir sagen, sind oft an bestimmte Blüh-Pflanzen gebunden. Beide Tiergruppen haben hier in den Zugwiesen gute Bedingungen.

Eine Schwalbenschwanz-Raupe - bald wird daraus ein schöner Schmetterling

Eine Schwalbenschwanz-Raupe – bald wird daraus ein schöner Schmetterling. Foto Michael Koch.

Die Libellen legen ihre Eier häufig an Baumrinde oder Stängeln ab, die Larven schlüpfen dann aus und fallen ins Wasser. Dort ernähren sie sich von anderen kleinen Tieren, wie Wasserflöhen, Amphibienlarven oder kleinen Fischen. Bei manchen Libellenarten schlüpfen die Imagines, so nennt man die erwachsenen Libellen, bereits nach drei bis vier Monaten. Andere Arten leben zwei oder noch mehr Jahre als Larve im Wasser.

…und dienen damit auch als Futter für die Vögel ?

Richtig. Die Zugvögel erkennen beim Überflug, dass es in den Uferbereichen der neuen Gewässerbiotope vermutlich was zu holen gibt. Deshalb hat sich auch bei den Vögeln mittlerweile eine beachtliche Artenvielfalt eingestellt.

Libellen, so Michael Koch, sind Jäger und besiedeln spezielle Lebensräume. Manche Arten legen bei der Jagd mehrere Kilometer zurück, wie die Blauflügel-Prachtlibelle. Einige Arten sind auf bestimmte Gewässerarten spezialisiert. So sind in Flächen mit Röhricht häufiger große Libellen wie der Große Blaupfeil anzutreffen. Die Kleine Pechlibelle dagegen bevorzugt neue, offene Gewässer und Lachen, die noch nicht zugewachsen sind.

Solche Stellen gibt es die letzten 60 Jahre am Neckar immer weniger. Denn mit dem Bau der Schifffahrtsstraße, mit der Entwässerung von Bauland und durch die intensive Nutzung landwirtschaftlicher Flächen wurden die Gewässerbiotope immer weniger. Dabei haben die Libellen auch eine ökologische Funktion, die vielen Menschen zugutekommt: Denn die Libellenlarven fressen liebend gerne die Larven von Stechmücken, die ebenfalls in den Gewässern und Schlammbänken leben.

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Die Kleine zangenlibelle fühlt sich wohl auf den großem Steinbrocken im Zugwiesenbach

Gibt es unter den vielen Libellen auch Besonderheiten?

Koch: „Im Zugwiesenbach, auf den großen Steinblöcken, findet eine sonst seltene Libelle ein gutes Jagdrevier: Die Kleine Zangenlibelle. Man kann es gut sehen: Die Männchen jagen von den Steinblöcken aus und verteidigen dort auch ihr Revier. Der Südliche Blaupfeil, eine andere Libelle, geht lieber in die kleinen, stehenden Gewässer rein. Auch die Kleine Königslibelle ist eine Besonderheit, die man in den Zugwiesen antrifft. Man kann sie von der Großen Königslibelle u. a. gut dadurch unterscheiden, wenn Männchen und Weibchen bei der Eiablage im Tandemflug unterwegs sind.“

 

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Paarungsrad der Großen Pechlibelle in den Zugwiesen. Foto Michael Koch

Tagfalter sind bei der Suche nach Futter und auch für die Fortpflanzung auf offene Flächen und Blüten angewiesen.

Koch: „Bei der Pflege und Offenhaltung des Geländes stimmt sich die Stadt auch mit den ausgewiesenen Vogelkennern vom NABU ab. So gilt es, auch für Zugvögel wie die Bekassine Flächen offen zu halten, damit sie hier Nahrung findet auf ihren Flügen vom Sommer zu den Winterquartieren.

Weitere echte Lebensgemeinschaften zeigen sich beispielsweise in den Brennnesselfluren am Bachufer. Prächtige Schmetterlinge wie Admiral, Kleiner Fuchs und Tagpfauenauge leben an und von den Brennnesseln. Sofern sie stehen bleiben und nicht von „ordnungsliebenden“ Zeitgenossen ausgerissen werden. Ein Grund, warum man in den Zugwiesen Wert darauf legt, dass die Besucher auf den Wegen bleiben und dass diese sogenannten Hochstaudenfluren an manchen Stellen über zwei-drei Jahre stehen bleiben.

Brennnesseln bieten vielen Tagfaltern Unterkunft und Nahrung

Brennnesseln bieten vielen Tagfaltern Unterkunft und Nahrung. Foto U. Ostarhild.

Michael Koch hat als Schüler seinen ersten Hirschkäfer in der Natur angetroffen. Bei einem Ausflug mit der Schulklasse. Ein Urerlebnis, das weder durch Buch noch durch PC zu ersetzen ist, so Koch.

Bieten Sie auch Führungen für Schulklassen an?

Leider bleibt mir dafür neben meinem Beruf keine Zeit. Ich freue mich aber immer, wenn ich Schulklassen in den Zugwiesen antreffe. Wichtig ist dabei, dass man sich an die Regeln im Schutzgebiet hält, aber das ist für die Lehrkräfte eine Selbstverständlichkeit. Wenn ich Anfragen bekomme, leite ich diese gerne an die Zugwiesen-Guides weiter.

INFO:
Gewässerbiotope: 3,8 Hektar des neuen Neckarbiotops Zugwiesen wurden zu Gewässerbiotopen umgewandelt. Neben dem Bach, als „Umgehungsgerinne“ in erster Linie zur Wanderung der Fische und Wassertiere gedacht, gibt es Tümpel, sogenannte Stillgewässer und die zum Neckar hin offenen Seen, sogenannte „Halbstillgewässer. Hier haben die Libellen und deren Larven gute Bedingungen.

Bau der Schifffahrtsrinne: Vor dem Ausbau des Neckars gab es am natürlichen Flussbett viele Überschwemmungsflächen, Kiesstrände und Tümpel. Mit dem Bau des Kanals und der Schleusen in den 1950 ger Jahren verschwanden auch diese wertvollen Lebensräume für Libellen und Wassertiere. Die Schaffung der Nebengewässer in den Zugwiesen ist ein wichtiger Beitrag zur Förderung der biologischen Vielfalt.
Tierökologisches Monitoring: Die Erfassung der Libellen- und Tagfalter-Arten erfolgt jährlich durch Beobachtung in den unterschiedlichen Standorten des Zugwiesen-Biotops. Bei Gewässern unterscheidet man hier zwischen Lachen, Tümpeln, Teichen, Weiher und Bach. Die Klassifizierung der Häufigkeit der Arten erfolgt durch stichprobenartige Zählungen in Teilflächen des Gebietes. Von manchen Arten gibt es Einzelfunde, von anderen, häufigen Arten wurden am Tag der Stichprobe bis zu 100 Individuen gezählt. Es wird eine Gesamt-Artenliste geführt, aus der z. B. zu entnehmen ist, ob die Art beispielsweise in Baden-Württemberg vom Aussterben bedroht oder in Deutschland gefährdet ist (siehe Rote Listen).

Zugwiesen-Guides: Die Zugwiesen-Guides bieten Führungen für Erwachsene und Schüler an. Die Adressen der gibt es unter www.neckarguides.de und http://www.ludwigsburg.de/,Lde/start/stadt_buerger/Zugwiesen+Fuehrungen.html